Zu diesem spannenden Thema diskutierten am Donnerstag, 02.07.2020 in der Schulaula die Podiumsgäste Isabelle Hehr vom Reiseveranstalter Traveldesign, Klaus Steiner, Landtagsabgeordneter der CSU, Stephan Semmelmayr, Geschäftsführer des Tourismusverbands Chiemgau Tourismus und Klaus Lebek, Geschäftsführer des Hotels Eichenhof in Waging und DEHOGA – Beauftragter für unsere Region. Organisiert hatte die Veranstaltung die 12 HOT zusammen mit ihren Lehrkräften Frau Hechenbichler, Herrn Häusler, Herrn Fembacher, Herrn Schade und Frau Wagner.

Da aufgrund der Infektionsschutzbestimmungen nur die SchülerInnnen der 12. Klasse im Publikum sein durften, waren die Klassen 11 und 13 über Microsoft Teams zugeschaltet, so dass sie die Veranstaltung live mitverfolgen und sich über einen Chat beteiligen konnten, der von Lukas Kloiber aus der 12 HOT betreut wurde. Außerdem war Evi Dettl von Radio BUH vor Ort, um die Diskussion im Radio zu übertragen und Interviews mit den Beteiligten zu führen.
Den Mitschnitt der Radiosendung finder ihr hier:

Als Einstieg in die Gesprächsrunde fragten die Moderatorinnen der 12 HOT, ob die finanziellen Hilfen für die, durch Corona gebeutelten Betriebe, angekommen seien und ausreichen würden, um sich über diese schwierige Zeit zu retten. Klaus Lebek sagte dazu, es sei schon viel angekommen, aber Isabelle Hehr ergänzte, das reiche gerade mal aus, um für zwei Monate die Gehälter zu zahlen. Und als kleiner Reiseveranstalter, der auf Fernreisen nach Costa Rica und ins südliche Afrika spezialisiert ist, sehe man sich großen Problemen gegenüber, zumal eine Rückkehr zur Normalität im Ferntourismus noch lange nicht in Sicht sei. Klaus Steiner sah sich dem Dilemma gegenüber, dass die Hilfen zwar möglichst unbürokratisch sein sollten, aber Betrug unter allen Umständen verhindert werden müsse, damit das Geld bei denen ankommt, die es wirklich brauchen. Wenn da jemand betrügt, mache ihn das stocknarrisch. Stephan Semmelmayr gab zu bedenken, dass es wichtig sei, die überlebenswerten Unternehmen zu retten, denn viele Probleme würden jetzt auf Corona geschoben, obwohl die Ursachen woanders lägen und die Betriebe ohnehin pleitegegangen wären. Unsere Hotellerie auf dem Land habe zwar ohnehin Glück, dass wir hauptsächlich deutsche Gäste haben, sie sich in den kleinen, familiengeführten Häusern wohlfühlten, so dass der Chiemgau mit einem blauen Auge davonkomme, im Vergleich zu den Stadthotels in München, die zum Teil bis in den Herbst hinein keine Buchungen hätten. Er sehe die Krise sogar als Chance für den Chiemgau, Gäste zu gewinnen, die normalerweise z. B. nach Südtirol gereist wären. Sie probierten den Chiemgau jetzt aus und und buchen, wenn es toll war, für das nächste Jahr gleich wieder. Das sei eine Riesenchance für unsere Unternehmen.


Auf die Frage, ob man damit die Verluste aus dem Frühjahr ausgleichen könne, erwiderte er, ein Bett könne nur einmal vergeben werden. Die Buchungslage für den Sommer sei gut, aber man müsse jetzt alles versuchen, um die Saison bis Oktober, November zu verlängern, um die Verluste aufzuholen. Mitinitiiert durch Klaus Lebek und andere Unternehmer im Tourismus liege der gesamte Marketingschwerpunkt nun darauf, diese Zeit zu bewerben und Tourismus im Spätherbst attraktiv zu machen, z. B. durch längere Öffnung der Almen und Bergbahnen, die Verlegung des Radfrühlings in den Herbst, spezielle Herbstwanderangebote usw. Das sei eine echte Chance, das Geld, das im Frühjahr nicht verdient wurde, noch zu verdienen. Denn immerhin habe der Chiemgau während der letzten Monate Verluste in Höhe von 56 Millionen Euro eingefahren, so Klaus Lebek. Herr Steiner forderte auch die Einheimischen zu mehr „Gastronomiepatriotismus“ auf, um unsere Gastronomie zu unterstützen und die Wirtshäuser wieder zu beleben. Statt im Vereinsheim nach der Musikprobe privat zu feiern, solle man auch an die Wirte denken und deren Angebote nutzen. Auf die Frage nach einer möglichen zweiten Infektionswelle und deren Folgen, erwiderte Klaus Steiner, dass wir das wirtschaftlich nicht überstehen würden. Daher finde er es erschreckend, wie unvorsichtig sich manche Menschen verhalten. Wenn man an schönen Tagen auf den Isar- oder Chiemseestrand blicke, könne man meinen, es wäre nichts. Man dürfe auf keinen Fall das bisher Erreichte durch mangelnde Disziplin aufs Spiel setzen. Auch Isabelle Hehr gab zu bedenken, dass eine zweite Welle sie vor sehr große Probleme stellen würde, denn dann käme zunehmend die psychologische Komponente hinzu, dass die Menschen sich nicht mehr trauen würden, eine Reise zu buchen. Zurzeit sei es so, dass die meisten Kunden umgebucht hätten auf den gleichen Termin im nächsten Jahr, so dass ihnen zumindest die Anzahlungen blieben. Das zeige auch, dass die Stammkunden sehr viel Vertrauen in das Team von Traveldesign hätten und in der Vergangenheit immer sehr zufrieden waren. Mit Neubuchungen seien die Kunden aber vorsichtig und eine zweite oder gar dritte Welle könne dazu führen, dass die Menschen Angst hätten, überhaupt zu reisen. Je länger sich das hinziehe, desto vorsichtiger würden die Kunden mit Neubuchungen. Sie glaube, dass die Buchungskurve erst wieder steil ansteige, wenn es einen Impfstoff gibt. Dauerhafte Veränderungen werde es wahrscheinlich insofern geben, dass man in allen Bereichen vorsichtiger werden wird, um neue Ausbrüche zu verhindern. Die Fernreisedestinationen werden ihre Gesundheitssysteme weiter ausbauen und Touristen werden bei der Buchung vermehrt darauf achten, wie die Gesundheitsversorgung im jeweiligen Reiseland ist.


Nach den weitreichenderen Lockerungen in Österreich gefragt und ob diese für die heimischen Tourismusbetriebe ein Problem darstellten, sagte Klaus Lebek, dass die meisten Gäste die Vorsichtsmaßnahmen bei uns sogar sehr schätzen würden. Gerade ältere Menschen, die zur Risikogruppe gehören, seien sehr glücklich über die Maßnahmen, die sie in Österreich vermissen. Generell könne man auch feststellen, dass die deutschen Gäste sehr diszipliniert seien und sehr viel Verständnis dafür hätten, wenn man z.B. nicht den ganzen Wellnessbereich nutzen könne, obwohl man den vollen Preis zahle. Im Gegenzug komme man den Kunden bei Stornierungen entgegen und das werde durchaus honoriert, indem der Gast dann im nächsten Jahr mit der ganzen Familie komme.


Die Moderatorinnen fragten in die Runde, ob der im Moment boomende Wohnmobil- und Campingtourismus eine große Konkurrenz für unsere Beherbergungsbetriebe sei, aber Stephan Semmelmayr winkte sofort ab und argumentierte, man solle keine Angst vor Konkurrenz haben, das belebe nur das Geschäft. Camping sei natürlich praktisch, da man sein eigenes Schneckenhaus dabeihabe. Aber jeder Campinggast, dem es bei uns gefallen hat und der im Bekanntenkreis positiv über den Chiemgau berichtet, könne uns neue Gäste bringen, auch für die Hotels. Einige sagen sich vielleicht, „Camping ist nicht meins, aber da gibt es ja auch schöne Hotels“ und schon haben wir einen positiven Effekt. Herr Lebek pflichtete bei, dass Wohnmobile und Ferienwohnungen sehr beliebt seien, da man auf diese Art seinen Urlaub relativ autark verbringen könne. Aber auch er sah keine Gefahr für die Hotellerie, eher noch für die Gastronomie, da viele dieser Urlauber Selbstversorger seien.

Alle Podiumsgäste blickten trotz der erschwerten Bedingungen für die Tourismusbetriebe optimistisch in die Zukunft. Herr Steiner sah die jetzt vorgenommene Mehrwertsteuersenkung als sehr positives Signal, das aber als Entlastung für die Branche dauerhaft beibehalten werden sollte. Herr Semmelmayr sagte, der Chiemgau sei insgesamt sehr gut aufgestellt, da man nicht ausschließlich vom Tourismus abhängig sei, wie z. B. das Ötztal in Österreich. Außerdem habe man von Seiten des Chiemgau Tourismus viele interessante Ideen, z. B. Brauereikurse, Kooperationen mit einheimischen Bands etc., um die Region noch attraktiver zu machen.Vielleicht gelänge es ja sogar, den Chiemgau zu einer Ganzjahresdestination auszubauen. Klaus Lebek lobte auch die Anstrengungen der DEHOGA, die sich sehr für ihre Mitglieder einsetze, indem sie versuche, weitere Erleichterungen zu erzielen und Fördermöglichkeiten mit der Landesregierung auszuhandeln, für die Betriebe, die immer noch geschlossen haben müssen, z. B. Clubs und Bars.

Selbst Isabelle Hehr, die durch die Spezialisierung auf Fernreisen, von den momentanen Lockerungen innerhalb Europas, noch nicht profitiert, hegte die Hoffnung, dass die Menschen nach Corona einen gewissen Nachholbedarf und eine große Sehnsucht nach weiter entfernten Reisezielen haben werden. Außerdem hätten viele Menschen in dieser Krise einen kompetenten und vertrauenswürdigen Ansprechpartner beim Thema Reisen wieder mehr schätzen gelernt.
Wir haben uns als Organisatoren der Veranstaltung sehr darüber gefreut, dass unser Thema „Tourismus in Zeiten von Corona“ so facettenreich diskutiert wurde und danken noch einmal allen Podiumsgästen und Mitwirkenden für diesen gelungenen Abend. 💯
✍️ Nicole Wagner

