Bundesweiter Vorlesetag

Am bundesweiten Vorlesetag geht es darum, junge Menschen für das Lesen zu begeistern. Heuer sollte die Auswahl der Texte dem Thema „Sport“ untergeordnet sein. Ich stellte mir also im Vorfeld die Frage, womit man die Zuhörer fesseln, provozieren und auch ein Stück weit belehren kann. Als Symphathisant der Borussia aus Dortmund und der Eintracht aus Frankfurt hielt ich es für spannend, unsere größtenteils FC Bayern München-Fans ein wenig aus der Reserve zu locken. Bei der Literaturrecherche fiel schließlich meine Wahl auf zwei Texte:

Einerseits las ich eine ca. fünf Jahre alte Glosse aus DIE WELT mit dem Titel „Lasst eure Kinder nicht Bayern-Fans werden“ vor, andererseits bekamen meine jungen Zuhörer ein Tasting von Jürgen Klopps Biographie „Ich mag, wenn’s kracht!“

Der erste Text ist natürlich nicht ganz ernst zu nehmen, jedoch steckt darin wie so oft auch ein Fünkchen Wahrheit. Der Autor Lars Wallrodt empfiehlt Eltern, ihre Kinder nicht als Bayernfans zu (v)erziehen, da die Verbundenheit mit einem Verein, der immer auf der Erfolgsspur sei, ein verzerrtes Abbild der Realität darstelle. Im Leben laufe es nicht immer glatt. Für Bayern-Fans ist die Deutsche Meisterschaft schon so selbstverständlich, dass man sich beim Gewinnen derer gar nicht so richtig freuen kann. Eine Saison ohne das Triple oder Double ist doch für Bayern-Fans schon so etwas wie eine verkorkste Saison. Viel besser sei es, so der Autor, seinem Kind ein Trikot vom HSV oder Osnabrück zu schenken, denn dann wüsste man mit Niederlagen im Leben adäquat umzugehen.

Der zweite Text beleuchtet die in meinen Augen interessanteste Trainerfigur unserer Zeit. Eindrucksvoll wird die Ära Klopp beim BVB in den Jahren 2010-2013 reflektiert. Ich habe beim Vorlesen einiger Zeilen nur mühsam versucht Klopps Emotionen auf meine Zuhörer zu übertragen. Dass das nicht funktioniert, liegt auf der Hand, denn wo Jürgen Klopp ist, da ist es laut, da ist Gänsehaut, da pumpt Adrenalin durch die Venen!

Meinen Vortrag beendete ich mit einem der größten Spiele unserer deutschen Fußballgeschichte: Dem Championsleague-Finale Bayern gegen Dortmund im Wembley-Stadion 2013. Auf die Frage, ob jemand wisse, wie dieses Spiel endete, meldete sich unser Max aus der 6. Klasse und antwortete souverän, ich zitiere: „2:1 für Bayern, Arjen Robben, 89. Minute.“ Ohne Kommentar wechselte ich auf meine letzte Power-Point-Folie meiner Präsentation. Sie zeigt besagten Herrn Robben, der frenetisch in der 89. Minute seinen Dolchstoß gegen die Dortmunder bejubelte.

Ich empfinde in diesem Moment Stolz für Max, weil er mich hoffen lässt; hoffen auf eine Generation, die das Fiebern, Ärgern, Feiern und auch ein Stück weit Ausrasten aus Sicht des FC Bayern nicht verlernt hat. Ich blicke in seine leuchtenden Augen, die strahlen, die Stolz sind auf seinen Verein und ich denke mir: „Ja Max, genau so! Warum können nicht alle Bayern-Fans so cool sein wie du?“ 😉

✍️ Bernd Gunesch